Laudatio

Über die Fächergrenzen hinweg trägt die innere Bewegung

Ein auf den Betrachter zufließender Ringwirbel. Alle Strömungsweisen entwickeln sich in den Umwandlungsphasen. Besonders grundlegend sind die verschiedenen Gegenströmungen.

 


Das Deckengemälde in der Gnadenkapelle des Klosters Beuron beinhaltet die Struktur des bewegten Ringwirbels. Radial  und flächig gliedert sich dieses Weltbild. Die Form im Ganzen ist punktsymmetrisch. Eine Erläuterung der Entstehung des Ringwirbels finden Sie >> hier.

Das Deckengemälde verweist in sich auf den Ringwirbel und umgekehrt.

Laudatio anlässlich der Vernissage am 15.9.2006 in der IHK Schopfheim von Hansjörg Noe:

„Zu den Werken von Albert Staiger.

Einige wenige biographische Angaben:

Jahrgang 1951 – Ausbildung als Werkzeugmacher und Studium der Feinwerktechnik an der Fachhochschule in Furtwangen, Abschluss als Diplomingenieur – danach Studium für das Höhere Lehramt in Naturwissenschaften und Studium der Ur- und Frühgeschichte, ferner Kunstgeschichte in Basel, zudem Diplom Geograph.

Was tritt da für ein Mensch gegenüber: Werkzeugmacher, also Handarbeiter, vermutlich hat Herr Staiger da erfahren, dass alles Tun Handarbeit bzw. Handwerk im wirklichen Sinne ist. Wenn wir behinderte Menschen, die für ihren Ausdruck Computerunterstützung brauchen,, ahnen wir, die wir mit zwei Händen begabte Menschen sind, was die Hand für ein Wunder ist und dem Kopf Wirklichkeit.

Dann kommt das Studium der Naturwissenschaften und der Geisteswissenschaften hinzu, zwei unterschiedliche Wege der Erkenntnis, die eine eher untersuchend, experimentierend, die andere eher hermeneutisch, also deutend.

Wie entsteht ein solcher Werdegang? Zufällig? Ausprobierend? Oder auf der Suche nach der Ganzheit?

Herr Staiger hat mir seine Grunderfahrung erzählt, die ich mitteilen möchte. Er ist aufgewachsen im Tal der jungen Donau von den Ursprüngen der beiden Quellflüsse bis Sigmaringen. Er erlebte das Wasser, das sich ändernde Bachbett, die Formung der Steine, der Flussränder, der Landschaft um den Fluss, durch das Wasser geprägt. Das führte in seinen Beobachtungen dazu, dass er das Wasser gleichsam als schöpferisch und künstlerisch empfand: Leben spendend.

Was sah oder sieht er da? Bewegung, Kraft, Spuren, sich zu Ornamenten verbinden, flüchtig und auch manifest:

lebendige Erinnerungen.

Solche Spuren sieht er auch in der Architektur der Häuser im Tal und vor allem im Kloster Beuron, vornehmlich dort beim Meister von Beuron, Pater Desiderius Lenz (1882-1928).

Von da ausgehend ist der Schritt zum Befassen mit Naturwissenschaften, Naturgesetzen, aber auch Geisteswissenschaften nicht weit. Herr Staiger ist selbst ganzheitlich, indem er nach Pestalozzi mit Kopf, Herz und Hand gestaltet, und sieht die Dinge um ihn ganzheitlich, also in Eisen nicht nur das Metall, sondern auch die Kräfte in ihm und die Formbarkeit, die das Eisen zulässt.

Nach diesem Begründungszusammenhang ist es nicht mehr schwer, die Objekte des Künstlers zu verstehen.

Da sehen wir diese lange, eiserne Linienfigur, nach oben strebend. Wir geben ihr einen leichten Bewegungsimpuls und schon schwingt sie, einem umgekehrten Pendel gleich. Sie schwingt im Rhythmus, Lebendigkeit ausstrahlend, abschwächend und wieder stärkend werdend, wenn ein neuer Impuls erfolgt, dem Wasserlauf ähnelnd der mal mehr und mal weniger Wasser führt, dem Leben ähnelnd, mal stärker, mal schwächer in seinem Ausdruck. Sie sehen ein anderes Objekt, mehrere eiserne, sanft getriebene Stäbe beieinander. Sie erinnern an Getreidehalme, die miteinander im Wind schwingen. Sie sehen massive Stäbe, die in sich gedreht und gewunden Wasserlinien an der Oberfläche nachempfinden. Sie sehen Paare, die miteinander in Kommunikation sind. Manche der fragilen und doch festen Objekte enden in einem Punkt oder in einer Art Kopf. Das mag die Gehaltenheit andeuten, nicht ausufernd, sondern begrenztes, geformtes Leben.

Und wie ist das alles entstanden? Im Schmiedefeuer am Amboss mit Hammer und Kraft, mit freier Hand das Material bewältigt und wieder freigegeben: Kunst, Hervorgebrachtes, um Weltsicht zu deuten, mit Wissen und Können. Was hat da die Kulturgeschichte, insbesondere jene der Frühzeit in Herrn Staiger bewirkt? Die Auseinandersetzung mit einem frühen Handwerk, die einfache, in der Natur vorgegebene Form, die Linienführung, Ornamentik, z.B. der Bandkeramik ähnelnd.

Ich zitiere Herrn Staiger: Mit der Schwere und Leichte spiele ich.

Tatsächlich: Es ist ein unendlich schweres Arbeiten mit Eisen, Hammer und Feuer, ein Spiel mit Kraft und dem Element Feuer, nur so wird das Ergebnis leicht, luftig, lebendig und spielerisch.“


Für ALBERT STAIGER von SUSANNE HERMANN:

Alberts eigene Beschreibung seiner Skulptur (15. Februar 2017):
Beschreibung Kunstobjekt von Albert Staiger 2017 für die Stadt Schopfheim

EISENSKULPTUR MIT STEIN

 

 

EINFÜHRENDE WORTE

Es ist für mich eine große Freude, dass ich mich mit Ihnen allen heute dieser großartigen Skulptur von Albert Staiger nähern darf. Ich selber kannte sie bis vor wenigen Stunden, die ich leicht an einer Hand abzählen kann, nur von Photos, Beschreibungen, Fragen und Antworten per Telefon und Mail und von der gedanklichen Auseinandersetzung in den letzten Wochen in der Vorbereitung auf diesen Moment.

Als ich dann vorhin tatsächlich vor der Skulptur stand, sie zum ersten Mal umkreiste, sie nach einigem Zögern betrat und durchschritt, war ich überwältigt von der schieren Größe und der Klarheit und freue mich nun umso mehr, dass wir gemeinsam heute dieses Kunstwerk und den Künstler feiern dürfen.

Zunächst möchte ich einige Worte über Albert Staiger selber sagen und dann zur Skulptur RAUMDYNAMIK im Besonderen kommen.

Ich selbst habe den Künstler vor knapp drei Jahrzehnten 1989 auf einer sommerlichen Studienfahrt zur Kathedrale in Chartres kennenlernen dürfen. Ich war damals gerade fertig mit meinem Pädagogik-Studium. Albert Staiger begleitete die Reise als Dozent für das Zeichnen in und um die Kathedrale: mir ist in Erinnerung, dass das Zeichnen mit intensivem Schauen begann, im Blick auf die hinter der Materie geborgenen Kräfte und Qualitäten – ein beschauliches Ertasten der Linien, der Schatten, der Räume mit den Augen, ein immer feineres Wahrnehmen und Umsetzen dessen, was die dreidimensionalen Räume auf dem Papier erscheinen lässt.

Albert Staiger – ein Meister der Linien und Räume. Selten ist er ohne Stift und Papier unterwegs.

Und mir ist sehr gut in Erinnerung die besondere Art der Fragen: Fragen, die nicht schon hörbar die einzig wahre Antwort kennen, sondern Fragen, die wirklich Ohren haben für die individuelle Antwort des Befragten und die daher zu tiefem eigenem Nachdenken anregen. Fragen, die nach dem Kern suchen, nach dem Verborgenen tasten, dem schier nicht Sagbaren.

Albert Staiger – ein Meister der Fragen.

Im gemeinsamen Schauen, Zeichnen und Fragen den Mysterien von Chartres auf der Spur – so haben wir uns kennengelernt. 10

Seither habe ich Albert Staiger als vielfältigen Künstler erlebt: zeichnend mit verschiedensten Materialien, kräftige Farben auf Holz zu Gesichtern oder Kreuzformen spachtelnd oder sensible Wegweiser, Halme und Feuertöpfe schmiedend. Immer ist er in Zwiesprache mit Natur und Mensch, mit Landschaft und Raum, mit Material und Wort.

Unvergessen für meine Familie: ein Sommerurlaub in Frankreich, bei dem bis zur Hüfte im Bergfluss stehend mit Albert Staiger Kunst aus dem Naturgegebenen entstand – Treibholz, Beeren, Blätter, Blüten, Flusskiesel, Schlamm – tags darauf weggeschwemmt von der reißenden Strömung nach einem Unwetter, aber in lebendigster Erinnerung bis heute. KUNST IM FLUSS.

Zudem war Albert Staiger bis zum Schuljahr 2015/16 in der Erziehungs-Kunst als Lehrer an der Waldorfschule tätig. Seit seinem Eintritt in den beruflichen Ruhestand bleibt ihm mehr Zeit, sich in die bildende Kunst zu vertiefen.

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Und nun stehen wir heute hier, um uns diesem großartigen Werk zu nähern.

Das SCHMIEDEN ist die grundlegende Technik des Werkes vor unseren Augen: was geschieht da?

Ein Boden-Schatz – das Eisen – wird zunächst als Eisenerz der Erde entnommen, durch Hitze aus dem Gestein befreit und von der Schlacke getrennt und so vom Eisenerz zum reinen Element konzentriert.

Erst dann kann der Schmiedeprozess beginnen: das Umformen durch starke Erwärmung zur Veränderung der kristallinen Struktur und den Einsatz von zwei Werkzeugen – Hammer und Amboss -, die das zu formende Werkstück zwischen sich nehmen und ihm Schlag für Schlag die gewünschte Form verleihen – ein Umformungsprozess bei dem kein einziger Span des Materials verloren geht: strecken oder stauchen, breiten oder spitzen, lochen oder spalten, biegen oder tordieren …. vieles ist möglich. Hitze, Druck, Energie machen wandlungsfähig.

Auch für die Skulptur RAUMDYNAMIK wurde der Bodenschatz EISEN aus Erdentiefen entnommen, durch Feuerhitze gereinigt und formbar gemacht und dann zu hoch aufgerichteten HALMEN und RAUMES-GESTEN verarbeitet, die himmelwärts zeigen und Räume eröffnen weit über unsere Köpfe hinaus. Welche Kunst aus so viel schwerem Material so ein Schweben und Aufsteigen himmelwärts zu gestalten! Dem erdwärts Verborgenen abgerungen.

In der Dimension dieser Skulptur reichte die handwerkliche Schmiedekunst nicht aus – es musste auch im Team mit Schmiedepresse gearbeitet werden. Dies erforderte zusätzlich zum künstlerischen Gestaltungsprozess Kommunikation, Zwiesprache in Handzeichen, Aktion und Reaktion. Die Dauer des Reaktionsweges hatte direkte Folgen für die Form und Länge des geschmiedeten Metalls. Wachheit und feine Reaktionen waren erforderlich – Zufälle geschahen und erforderten so neues waches Hinsehen auf die entstandene Länge. Der ZU-FALL forderte aktuell den EIN-FALL für den nächsten Gestaltungsschritt und wollte durch die folgende Tat beantwortet werden.

Um ein wenig in Bewegung und Fühlung mit der Skulptur zu kommen, nehmen Sie sich doch gerne Zeit, um sie schauend zu umkreisen und mit Bedacht Ihre Lieblingsperspektive auszuwählen – dann können Sie dort zum Zuhören verweilen.

Gibt es eine allgemeine Lieblingsperspektive? Eine offensichtliche „Vorderseite“?

Lassen Sie uns bei der BASIS beginnen:

Getragen wird das ganze Arrangement von einer Bodenplatte, einem perfekten, makellosen Untergrund, einer verlässlichen Plattform: solide, glatt, clean, unveränderlich, massiv, sie mutet kalt an, abweisend, ist mittig geteilt, bietet keinerlei Anknüpfungspunkt oder Lieblingsstelle für das Auge, lädt nicht ein zur Verbindung, sondern tritt dienend zurück.

Sie serviert dem Betrachter die Skulptur wie ein perfektes Tablett, ohne selbst Aufmerksamkeit zu heischen – und ist doch nicht wegzudenken, sondern wichtiger Bestandteil des Raums. Grundlage. Fundament.

Von dieser Basis ragen verschiedenste Elemente in die Höhe gen Himmelsraum – jeweils aus ca. 80 kg Eisen geschmiedet.

Da sind zunächst die HALME: sie ragen hoch auf zu beiden Seiten, individuell in Höhe und Gestalt und doch als Paar erkennbar. Links noch höher als rechts. Oben verdickt. Ein Schwerpunkt in der Höhe. Eine Knospe, die noch Kraftreserven birgt.

Sie vermitteln den Eindruck von Orientierung, von einer Standortbestimmung, einem Gefühl von „vorne“. Die Halme weisen den Weg zum Eingang. Sie sind durch kompetente Schlosserarbeit gut in der grundlegenden Bodenplatte verwurzelt und richten sich überaus mutig und richtungsweisend himmelwärts wie überdimensionale Fingerzeige – hin zu einer kosmischen Ausrichtung, sich aus dem Irdischen erhebend. Zielstrebig nach oben.

Wenn es Ihre Hände erlauben, aus den warmen Manteltaschen genommen zu werden, würde ich Sie bitten, einmal diesen Halmen hinterherzuwachsen, indem wir die Handflächen über dem Scheitel zusammenlegen und dann behutsam nach oben schieben, immer weiter den universellen Höhen zu, aufgespannt zwischen Himmel und Erde. Ein kraftvolles Sprießen, bis zu den Fingerspitzen konzentrierte Kraft. Erdverbundene Aufrichtigkeit.

Es könnte sogar sein, dass Sie den Sog der Halme so stark spüren, dass Sie nicht anders können, als sich hoch auf die Zehenspitzen zu erheben … und doch unten die Verwurzelung mit der Erde spüren – ausgespannt zwischen tragender Erde und erhebendem Himmel … mittendrin ICH als Mensch. Immer gefordert, nicht der Erdenschwere zu verfallen und doch sich aus ihr zu nähren, in ihr kräftig sich zu verwurzeln. Zugleich aufschauend, aufstrebend, flexibel mich entwickelnd. Der Gewissheit des Welkens ein sichtbares Himmelwärts entgegengepflanzt.

Nun dürfen die Hände gerne wieder zurück in die warmen Taschen schlüpfen …

Schreiten wir gedanklich durch dieses Tor der Halme, so kommen wir in ein RAUM-DIMENSIONS-GEFLECHT, das bestimmt wird durch drei sich neigende BÖGEN, breit wie Bänder, die schon Flächen andeuten, die hüllen, einander zugewandt, aufeinander verweisend, einen Raum überspannend – der aber erst durch unsere Gedankenarbeit entsteht. Der Raum als solcher ist nicht einfach existent, sondern nur wie mit Raumeslinien skizziert, dem Auge vorgeschlagen. Möglichkeit – nicht per se existente Realität. Der Betrachter ist gefordert aus den skizzierten Linien Flächen zu spannen, innerhalb derer dann Räume erwachsen. Räume entstehen erst durch Grenzen. Erst dann gibt es außen – innen – zwischen.

Um die räumlichen GESTEN besser zu erfassen, würde ich Sie gerne wieder um Ihre aktive Unterstützung bitten, indem wir miteinander den Bögen nachspüren: wir nehmen zunächst die Arme wieder nach oben und neigen uns dann je nach unserem Standort mit dem uns am nächsten stehenden Bogen in die von ihm vorgegebene Richtung ….

Jeder neigt sich ein wenig. So entsteht ZU-NEIGUNG. RAUMDYNAMIK.

Der Raum steht uns nicht fertig vor Augen, sondern entsteht aus zwischenmenschlicher Aktivität – zunächst sind Gedanken, Wünsche, Wille vonnöten – dann kann aus der Bewegung im Innenraum auch Raum im Äußeren gestaltet werden. Der Raum, die Neigung der einzelnen Gesten ist durch unsere eigene Position veränderlich. Durch unsere STELLUNG-NAHME ergeben sich neue Perspektiven, veränderte Einsichten.

(Wechseln Sie gerne Ihre Position und neigen sich in der nun aktuellen Richtung.)

Betrachte ich das Werk direkt von vorne, so erscheinen mir die Halme wie Wächter oder Türme, die ein Tor hüten. Der Raum ist durch die Fuge in der Bodenplatte geteilt in ein vorne und hinten. Den Fluss des Hineinschreitens unterbricht ein massiver STEIN.

Stein des Anstoßes? Opferstein? Altar? Ballast? Geballte Kraft? Schatz? Verdichtung? Potential? Aufzufaltende Kompression?

Warum nur ist dieser Stein kein Findling, so frage ich mich, obwohl der Künstler ein unermüdlicher Steinsucher ist, den man bei Wind und Wetter frühmorgens schon über Äcker streifen sieht oder an Bachufern nach Kieseln Ausschau haltend … ein Sucher und auch Finder von Steinen und Artefakten aller Art.

Aber hier wählt er einen zum exakten Quader geschnittenen Kalkstein – formatiert, genau zu vermessen und zu benennen in seinen Dimensionen und Winkeln, nur etwas anfänglich behauen, aufgebrochen. Wie können wir diese Wahl im gegebenen Kontext lesen? Wofür steht dieser Stein im dynamischen Raum?

Für Verlässlichkeit inmitten sich verändernder Räume? Für einen menschgemachten Brocken an zu lösender Problematik, der Raum fordert, bearbeitet werden will?

Betrachten wir nun die Gesamtheit von Platte, Halmen, Gesten und Stein so mag in manchem Betrachter die Assoziation einer Kathedrale aufsteigen, die vor ihrem mächtigen Portal schon aus der Ferne mit zwei hohen Türmen grüßt und dann im Innern den Besucher unter einem hoch gewölbten Dach empfängt. Bodenfuge und Steinquader ergänzen sich zum Kreuz.

Bewegte Kathedrale – Kathedrale, die bewegt. Wandelbarer spiritueller Raum. Ganz offen skizziert, nur angedeutet. Nicht automatisch schon hüllend. Aus der Skizze wird erst durch die Bewegung von Geist und Materie RAUM, durch dynamische Aufbauarbeit.

Schauen wir direkt von vorne und hinten in der mittigen Achse auf den hinteren Bogen, so erscheint er als Senkrechte, als Aufrichtung, die die sich zugeneigten Bögen schon durchdrungen und überhöht hat. Der DURCHBRUCH ist schon geglückt – von anderen Positionen aus noch nicht zu sehen – hier kommt noch eine zeitliche Dimension ins Spiel!

(Vielleicht wollen Sie noch einmal Ihre Position wechseln und exakt von vorne auf dieses DURCHDRINGEN achten?)

Es wäre technisch sicherlich möglich gewesen, eine identische Höhe zu schmieden, falls es gewünscht wäre. Aber wie wir sehen ergeben sich so wieder Wandlungsmöglichkeiten, Hinweise auf mögliche Individualität, die dennoch gemeinsame Räume entstehen lässt.

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Ein völlig neuer Aspekt wollte bedacht sein, als der Künstler mir vor 10 Tagen mitteilte, dass die aufgerichteten Elemente der Skulptur – die Halme und Bogen-Gesten drehbar seien. Das ganze Bild des aus den Raumlinien sich aufspannenden sakral anmutenden Raumes kam mit einem Mal in einen flirrenden Fluss. Nichts schien mehr gewiss – aus einem erhabenen und doch bergenden Dach konnte eine abweisende, abschüssige Fläche werden, aus Zuneigung konnte Abneigung werden, aus einem Innenraum ein Zwischenraum. Es entstand Verunsicherung und zugleich unfassbare Möglichkeit.

Sehen wir uns die einzelnen Elemente unter diesem Aspekt der Veränderlichkeit näher an:

(Dabei werden die besprochenen Bewegungen praktisch ausgeführt. Von wem?))

Die HALME bleiben trotz Drehung in ihrer Achse: aufgerichtet und ausgerichtet, verlässliche Fingerzeige und Signale für das bleibende Vorne. Sie verweilen zentriert, in sich gekehrt – sind wie der Mensch auf sich verwiesen und doch bewegt. Sinnbilder für unser Uns-wenden-und-wandeln-Können, ohne das Zentrum zu verlieren.

Die BOGEN-GESTEN rechts und links können im Falle einer gemeinsamen Ausrichtung nach hinten oder vorne als Paar eine parallele flächige Geste ergeben, wenn man sie in der Vorstellung verbindet und als gewölbtes Dach überspannt – genauso könnten sich aber auch konträre Richtungen ergeben, die an eine räumliche Verbindung kaum denken lassen.

Der hintere Bogen kann sich um 360 ° C frei drehen, sich zu- oder abwenden.

Was geschieht in dieser geöffneten Position mit dem Stein, der doch so unveränderlich erschien? Verliert er an Gewicht? Wird denkbar, dass auch er Wandlungsmöglichkeiten in sich birgt? Ein Geschmack von Er-LEICHT-erung? Ein leises Ahnen von Wandlung selbst im Kristallinen?

Vielleicht im Sinne eines Wunders wie es HILDE DOMIN in einem Gedicht beschreibt, das uns damals auch auf einer Studienreise nach Chartres beschäftigt hat:

NICHT MÜDE WERDEN

SONDERN DEM WUNDER

LEISE WIE EINEM VOGEL

DIE HAND HINHALTEN

Durch unermüdliches Hoffen und Lebendigbleiben können sogar Steine Leichtigkeit gewinnen.

Der Betrachter wird unter den veränderbaren Raumlinien zum je aktuellen EMPFINDER. Aus der Empfindung ergibt sich ein neuer Gestaltungsimpuls und eine Tat, deren Folgen wieder

betrachtet werden wollen. Empfindung – Gestaltung – Wahrnehmung in ständig lebendigem Fluss. Evolution. Ent-Wickelung. Ent-Faltung.

Durch diese Beweglichkeit entsteht plötzlich ein ganz anderes WELT-BILD – ein ganz lebendiges Bild von Raum-Plastizität und der Meister der Fragen, unser Künstler Albert Staiger weist uns damit auf den „KNACKPUNKT“ seiner RAUMDYNAMIK hin:

Ist das Kunstwerk starr, gebaut aus ca. 400 kg Eisen und ca. 340 kg Stein, oder ICH als Mensch? Wenn sich so viel schwere MATERIE rotieren und immer neu plastizieren lässt, wieviel immer neue Beweglichkeit ist dann erst in meiner Ausrichtung und Aufrichtung als MENSCH dynamisch möglich? Wie flexibel können zwischenmenschliche Räume belebt werden, wieviel Zuwendung, Abwendung, Be-HAUS-ung ist durch uns modellierbar? Wieviel mag ich selbst drehen und wenden, um Raum zu entwickeln?

Zwischen-RAUM. Innen-RAUM. Schon-RAUM. Sprach-RAUM. Klang-RAUM. Lebens-RAUM.

Wie stehe ich im Raum? Wie durchschreite ich Räume? Wie gestalte ich den Raum zwischen Dir und mir? Gibt es Begegnungsmöglichkeiten, Berührungspunkte, Sicherheitsabstand?

Gehe ich in Deckung oder zeige ich mich, fülle den Raum mit Klang, Bewegung, Sprache, Kunst? Mache ich die Schotten dicht oder eröffne ich Spiel-RÄUME?

Das alles schwingt mit, wenn uns der Meister der Fragen Albert Staiger sein Werk RAUMDYNAMIK präsentiert – lassen wir uns fragen!

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RAUMDYNAMIK von Albert Staiger – das ist keine Dekoration, kein gefälliger Sinnesschmeichler, kein ästhetisches Fast-Food. Es ist ein Rätsel. Ein Wort-Raum-Rätsel. Jedes Wort, jede Linie sorgfältig ertastet und mit Bedacht abgewogen, nichts ist beliebig, effekthascherisch, platt dekorativ.

Der Meister der Fragen stellt uns mit seiner RAUMDYNAMIK einen äußeren Anstoß für innere Dynamik vor Augen. Wie könnten die Fragen lauten:

Wie positioniere ich mich? Wem neige ich mich zu? Wer ist mir zugewandt?

Welcher inneren Bewegungsmöglichkeit gebe ich Raum? Wo ist mein inneres MIT-TUN gefordert? Wie weit bin ich bereit, mich zuzuneigen?

Wo entsteht durch Ab-Neigung Unbehaustsein?

Wo kann Abwendung neue Raumdimensionen eröffnen oder Ausblicke ermöglichen?

Wage ich mich aus meiner Komfort-Zone und wage Dynamik zugunsten von Raum-Evolution?

Wie weit bin ich bereit, mich zu drehen und zu wenden? Ausrichtungen, Gesten, Flächen, Positionen …. Oder gar meinen Blickwinkel? Wie stelle ich mich zu Themen, Dingen, Räumen, Menschen? Was ereignet sich in den entstehenden Räumen? Werden Spielräume genutzt? Oder bleiben Hohlräume, Leerstellen?

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Als Musikerin interessiert mich noch die Frage, ob RAUMDYNAMIK auch einen Klang-RAUM anbietet, ob es sich schwingend Klänge entlocken lässt.

(verschiedene Xylophon-Schlägel mitnehmen …. Wer mag mit nach Tönen suchen?)

Wenn Sie mögen umkreisen, durchschreiten, verändern Sie die Skulptur noch in Ruhe und kommen dann gerne in den warmen Innenraum, der schon vorbereitet ist.

Zwischen-RAUM. Innen-RAUM. Schon-RAUM. Sprach-RAUM. Klang-RAUM. Lebens-RAUM.

Wie stehe ich im Raum? Wie durchschreite ich Räume? Wie gestalte ich den Raum zwischen Dir und mir? Gibt es Begegnungsmöglichkeiten, Berührungspunkte, Sicherheitsabstand?

Gehe ich in Deckung oder zeige ich mich, fülle den Raum mit Klang, Bewegung, Sprache, Kunst? Mache ich die Schotten dicht oder eröffne ich Spiel-RÄUME?

Das alles schwingt mit, wenn uns der Meister der Fragen Albert Staiger sein Werk RAUMDYNAMIK präsentiert – lassen wir uns fragen!

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Wie weit bin ich bereit, mich zu drehen und zu wenden? Ausrichtungen, Gesten, Flächen, Positionen …. Oder gar meinen Blickwinkel? Wie stelle ich mich zu Themen, Dingen, Räumen, Menschen? Was ereignet sich in den entstehenden Räumen? Werden Spielräume genutzt? Oder bleiben Hohlräume, Leerstellen?

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Als Musikerin interessiert mich noch die Frage, ob RAUMDYNAMIK auch einen Klang-RAUM anbietet, ob es sich schwingend Klänge entlocken lässt.“