
Peter E. M. S,chneider, MPI für Strömungsforschung, Bericht 9/1975
So paradox es klingt: Das Urbild , wird erst vom Bilde her
zum Bilde – und doch ist das Bild nichts als
die Erscheinung des Urbildes.
H. – G. Gadamer, S. 146f
Das Bild tritt hervor in die Oberfläche, formenreich gegliedert
innerlich bewegt, sich immer wieder bildend.
Der Wirbel ist die ursprüngliche Fließform des Flüssigen.
Wie die Quelle den Ursprung bildend durch Quellwirbel realisiert,So versiegen die Wasser, schwindet die Bewegung mit dem Fehlen der Wirbel, er
verliert seinen Impttus.
Auch in der Mündung gibt sich der Fluss ganz hin. Immer ist es der Rhythmus zwischen den Polen, der die Quelle , den Lauf und die Mündung erfüllt.
Durchwirkt sind diese von Wirbeln.
Sie bringen selbst wieder Wirbel hervor. Das Milieu des Wassers richtet sich auf seine eigene Natur, auf sein elementares Verlangen und selbstlose Hingabe.
Betrachtet man das Fluss- und Wirbelgeschehen in seinen
Bewegungen:Quellendes, Rinnendes, Wellendes, Anschwellendes, Hauptströmung, Querströmung,
Formen: Tropfen, Gerinne, Mäander, Schichtfluten, Wellen, Wirbelstraße, Doppelwirbel
elementaren Zuständen: flüssig, gasförmig, fest/kristallin, lösend/aufnehmend, ausscheidend,
Verwandlungen: Eigenheit der 4- Grad- Dichte, Metamorphosen der Bewegungszustände
dann eröffnen sich Fragenhorizonte, die Lebendiges zum Gegenstand haben.
Goethe sah in diesem Zusammenwirken die Grundeigenschaften einer lebendigen Einheit.

Beginnende Landschaft von Paul Klee
Grundeigenschaft der lebendigen Einheit: sich zu trennen,
sich zu vereinen, sich ins Allgemeine zu ergehen, im
Besonderen zu verharren, sich zu verwandeln, sich zu spezi-
fizieren und, wie das Lebendige unter tausend Bedingungen
sich dartun mag, hervorzutreten und zu verschwinden, zu
solidiszieren und zu schmelzen, zu erstarren und zu fließen,
sich auszudehnen und sich zusammenzuziehen. Weil nun
alle diese Wirkungen im gleichen Zeitmoment zugleich
vorgehen, so kann alles und jedes zu gleicher Zeit eintreten.
Entstehen und Vergehen , Schaffen und Vernichten, Ge-
burt und Tod, Freud und Leid alles wirkt durcheinander,
in gleichem Sinn und gleichem Maße; deswegen denn auch
das Besonderste, das sich ereignet, immer als Bild und
Gleichnis des Allgemeinsten auftritt. Ist das ganze Dasein
ein ewiges Trennen und Verbinden, so folgt auch daß die
Menschen im Betrachten des ungeheuren Zustandes auch
bald trennen, bald verbinden werden.
J.W. von Goethen
Aphorismen und Fragmentenafte
Diese Eigenschaften finden wir auf im Verfolgen eines vollständigen Flusslaufs.
Beim Mäander, wie bei der Kármánsche Wirbelstraße, kann man den Eindruck gewinnen, dass der Wirbel in die Sichtbarkeit drängt.
Offensichtlich drückt sich darinn seine bildhafte Natur aus.
Die bildet sich nach und nach als Abfolge von Doppelwirbeln.
Es plastiziert sich der eine Wirbel in die Umgebung seines Milieus und das Milieu formt sich zum Doppelwirbel.
Dieses Geben und Nehmen geschieht gleichzeitig.
Der sich bildende Rhythmus ist nicht nur zeitliche und räumliche Abfolge, sondern innerer Ein- und Ausdruck einer Ringwirbelbildung.
Die Doppelwirbel schwingen in einem bildhaften Wechsel hin und her.

Eine Kármánsche Wirbelstraße in einem flachen Becken. Die sichtbaren Formen zeigen einen Querschnitt durch die Längsrichtung , parallel zur Oberfläche. die fließende Flüssigkeit. bedingtt wird die Wirbelstraße durch einen Stab, der von oben nach unten durch die Flüssigkeit gerade geführt. Sichtbar werden die Wasserbewegungen durch eingestreute schwimmende Pollen.
Plastisch-räumliche Wirbel als flächiges Bildgeschehen
Die Wassermassen Formen sich in ihren Wirbelverwandlungen zu flächigen Gestalten.
Sie treten flächig in Erscheinung.Doch wenn man auf die gleitende, scherende Bewegung seine Aufmerksamkeit richtet,
dann bekommt man ein Gefühl für die flächig plastische Formung.
Der Vergleich mit der plastischen Arbeit des Bildhauers beim Auftragen des Tons ist erhellend.
Von großer Bedeutung ist für uns, wie Paul Klee in dem Bild Wellenplastik eine räumliche Gestalt malerisch zeichnerisch schafft.
Das ineinander Wirken der Strömungen erfasst die Gleichzeitigkeit der Bildung.
Die plastisch wirkende Gestalt befindet sich innen wie außen in gleichem Milieu.
Sie bildet nach innen und außen Flächen wie Hüllen. Das Bild erscheint als Ganzes,
als Wesen.
Gemeint ist eine innere Wesenhaftigkeit eigener Lebendigkeit:
das Bild ist voller Bewegung, bringt sich selbst hervor
Die Ruhe im Bild ist seine Innigkeit.
Nicht die äußere Ähnlichkeit mit einer Wasserbewegung ist das Wesentliche,
sondern die gestaltbildende Innerlichkeit.
Diese nehmen wir wahr als rhyhmische Quelle und Herzschlag einer Wirbelbewegung im Ganzen.

Wellenplastik von Paul Klee, 1939
Die innere Durchdringung der Formen zeigt sich immer gestaltbildend; so ist es immer der Wirbel,
der verwandelnd sich zeigt; man muss anfangen, in Bildern selbst zu denken. Diese Erkenntnis
benennt Rudolf Steiner mit den Worten: Das kann allein die von dem künstlerischen Empfinden beflügelte lebendige Erkenntnis.
Was zeichnet diese Erkenntnis-Anschauung aus? Sie ist produktiv schöpferisch. Sie macht innerlich sichtbar.
Ursache und Ziel – zum Beispiel einer Doppelwirbelbildung- erfüllt sich aus dem Ganzen der bildhaften Gestaltung.
sie kann als Urbild
bezeichnet, erkannt und erlebt werden.
Das Urbild wird am Bild sichtbar;
Im Erkennen löst sich die Sinnlichkeit ein;
und
in den Empfindungen differenzieren sich elementare Sinnlichkeitsprozesse.